Bakterien und Mikronährstoffe

Eine gesunde Mikrobiota konditioniert Aufnahme und Metabolismus nicht nur von Kohlehydraten und Ballaststoffen in der täglichen Nahrung, sondern auch von Mineralstoffen, Vitaminen, Nahrungsergänzungen und nicht zuletzt Medikamenten.

 

Zink zum Beispiel ist ein äusserst wichtiges Oligoelement für zahlreiche Zellfunktionen. Über 300 Enzyme und tausende Transkriptionsfaktoren enthalten ein oder mehrere Zinkatome, weshalb ein leichter Zinkmangel ein bedeutendes immunitäres Ungleichgewicht verursachen und das Funktionieren der Schilddrüse beeinträchtigen kann. Die intestinale Mikrobiota beeinflusst die Bioverfügbarkeit, die Nutzung und den Metabolismus von Zink. Eine an freundlichen Bakterienarten reiche Mikrobiota beansprucht die Zinkreserven für sich und «stiehlt» sie von allen übrigen Bakterien, die Zink für das gute Funktionieren der Transportsysteme nutzen, die sie für ihre Ansiedlung und Virulenz benötigen. Zu ihnen zählen Bakterien wie Campilobacter jejuni, Escherichia coli, Salmonella spp, Proteus mirabilis, Haemophilus influenzae usw.

 

Selen ist ein für das Funktionieren der Schilddrüse erforderliches Oligoelement. Die innere Selenkonzentration der Schilddrüse kann auch unabhängig vom Nahrungsinput sehr langfristig stabil bleiben. Wie Untersuchungen zeigen, ist Selen auch wesentlich für das Funktionieren einiger Enzyme mit antioxidierender Wirkung, den sogenannten Selenoproteinen, wie Glutationsperioxidase, Iodiotironindeiodinase und Tioredoxinreduktase. Durch ihren Einfluss auf die Expression des Selenproteoms beeinflusst die intestinale Mikrobiota die Verfügbarkeit, Aufnahme, Speicherung und Nutzung von Selen durch unsere Zellen. Verschiedene Bakterienarten besitzen nämlich endogene Selenproteine, die sie für ihr Wachstum nutzen. Diese Bakterienproteine nutzen somit das Selen für ihre eigenen Zwecke, so dass der Schilddrüse weniger zur Verfügung steht. Dagegen verstärkt die Präsenz von Bakterien, die antiinflammatorische Zytokine wie IL-10 stimulieren, die Expression des Proteins, das der Schilddrüse Selen zuführt, so dass die Biodisponibilität zunimmt. Ebenso bereichert eine angemessene Selenaufnahme durch die Nahrung die intestinale Mikrobiota und fördert die mikrobielle Vielfalt.

 

Im klinischen Rahmen ist Eisenergänzung eine häufige Strategie zur Behebung eines diesbezüglichen Mangels. Nach Eisenzusatz wurde jedoch beobachtet, dass eine Veränderung der mikrobiellen Vielfalt der intestinalen Mikrobiota und ein Shift im proinflammatorischen Sinne auftreten können. Die intestinale Mikrobiota reagiert auch unterschiedlich je nach der Form der chemischen Nahrungsergänzung durch Eisen.  Zum Beispiel bewirkte Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) in Eisenformulierungen eine Verminderung von Roseburia inestestinalis, einem nützlichen Bakterienstamm der Dickdarm-Mikrobiota. Ausserdem wurde beobachtet, dass die orale Gabe von Eisen gegenüber der intravenösen Verabreichung mit einer geringeren Präsenz von Buttersäurebakterien wie Faecalibacterium prausnitzii verbunden war. Die Gabe von Eisen ist und bleibt eine wesentliche fundamentale Strategie zur Erhaltung eines guten Gesundheitszustands. Sowohl zur Begünstigung einer besseren Absorption wie auch zur Verringerung schädlicher Auswirkungen auf die mikrobielle Zusammensetzung ist es wichtig, dass die Eisenzufuhr mit einer kräftigen und adäquaten Mikrobiota assoziiert ist.

 

Ausser den Mikronährstoffen kann sich ein Übermass zahlreicher Substanzen auf die intestinale Mikrobiota auswirken. Die in praktisch allen verarbeiteten Nahrungsmitteln vorhandenen Additive tragen zu signifikanten Veränderungen der mikrobiellen Zusammensetzung bei. Die Lebensmitteln zur Verbesserung der Konsistenz beigefügten Emulgatoren vermindern die schützende Schleimhautschicht, machen sie durchlässiger und fördern die Zunahme von Bakterien, die Sulfate zu Schwefelwasserstoff abbauen, der im Übermass zu einer Erhöhung der inflammatorischen Belastung führen kann. Auch künstliche Süssstoffe verändern stark das mikrobielle Gleichgewicht durch die insgesamte Zunahme von Clostridien, Bakteroiden und aeroben Bakterien. Ausser seiner direkten toxischen Wirkung beeinflusst das in Pflanzenschutzmitteln verwendete Glyphosat die intestinale Mikrobiota, begünstigt potenziell schädliche Bakterien wie Fusobacterium nucleatum und vermindert die Präsenz von Lactobacillus spp und anderen Buttersäureproduzierenden Bakterien.

 

Schliesslich interagieren auch Pharmaka mit der Mikrobiota. In den letzten Jahren hat sich ein neuer Forschungszweig entwickelt, die «pharmakomikrobiomische» Forschung, deren Gegenstand die Untersuchung der komplexen Interaktionen von Pharmaka und Mikrobiota ist. Die wissenschaftliche Forschung befasst sich zunehmend mit dem Einfluss von Pharmaka auf die Zusammensetzung der Mikrobiota und der Fähigkeit der intestinalen Mikrobiota die Aufnahme, Verteilung und Wirkung der verschiedenen pharmakologischen Wirkstoffe zu modulieren. Untersucht wurden insbesondere die pharmakomikrobiotischen Interaktionen für Antibiotika, Paracetamol, die Protonenpumpeninhibitoren  (PPI), die NSAR und das Metformin.