Die Geschichte der Mikrobiota

Die Geschichte der Milchsäurefermente geht auf den Anbeginn der Menschheit zurück, denn sie ist eng mit der Nutzung vergorener Nahrungsmittel verbunden. Verschiedene archäologische Untersuchungen haben gezeigt, dass Gärungsverfahren, also Fermentationsmethoden, feste Bestandteile zahlreicher Zivilisationen waren. Schon vor tausenden Jahren entdeckte der Mensch durch Zufall, dass die lange Lagerung von Obst und Getreide in geschlossenen Behältern die Herstellung von Wein und Bier ermöglichte, obwohl niemand genau verstand, wie und warum dies geschah.

 

Die Bezeichnung des Gärungsprozesses als Fermentation stammt vom lateinischen Wort «fervere», das «kochen» bedeutet. Man hatte nämlich beobachtet, dass ein in grossen Behältern aufbewahrtes Gemisch gepresster Trauben Blasen warf, «als ob es kochte». Aufgrund ihrer empirischen Beobachtungen lernten unsere Vorfahren, dass Temperatur und Luftzufuhr (also die Gegenwart von Sauerstoff) die Grundprinzipien des Fermentationsprozesses sind. Der Industrielle Louis Bigo in Lille, der Alkohol aus Zuckerrüben erzeugte, kontaktierte den französischen Gelehrten Louis Pasteur für die Lösung einiger Probleme, die sich in der Destillerie ergeben hatten. Louis Bigo hatte nämlich beobachtet, dass viele Becken mit Zuckerrübensaft nicht in Alkohol umgewandelt wurden sondern einen sauren Saft ergaben.

 

Pasteur untersuchte Proben aus den Becken mit gutem Verlauf und stellte fest, dass sie Fettkügelchen enthielten. In den sauren Proben sah er jedoch nur «dünne, längliche Partikel». Aufgrund weiterer Untersuchungen kam er zu dem Schluss, dass die sauren Proben Essigsäure enthielten oder wie er selbst es beschrieb «es ist sicher kein Wein». Pasteur entdeckte, dass der erfolgreich fermentierte Rübenzucker eine optimal aktive Verbindung war, das heisst er bestand aus lebenden Organismen. In der Folge beobachtete der Wissenschaftler, dass die Proben der Behälter mit fermentiertem Saft grosse Mengen Hefe enthielten. Dagegen fand er in den Behältern mit Essigsäure «viel kleinere Hefezellen». Seine Beobachtungen lieferten den Beweis, dass die Hefe den Zucker in Alkohol umwandelte und dass die Erklärung für das saure Produkt die Kontaminierung durch eine Bakterienart war, die Ethanol in Essigsäure umwandelt. Um mögliche kontaminierende Bakterien zu eliminieren, entwickelte Pasteur ein Verfahren, bei dem Produkte während einer bestimmten Zeit auf eine spezifische Temperatur erhitzt wurden, nämlich die Pasteurisierung.

 

Für die Wissenschaftler der damaligen Zeit waren Pasteurs Erkenntnisse revolutionär. 1877 erkannte der deutsche Chemiker Moritz Traube, dass jedes chemische Ereignis während der Fermentation durch eine proteinähnliche Substanz katalysiert wird. Jahre später wurden diese Substanzen als Enzyme bezeichnet Zwanzig Jahre darauf erbrachte ein anderer deutscher Chemiker, Eduard Buchner, den Nachweis, dass Saccharose mittel Hefeextrakten zu Alkohol fermentiert werden konnte und erkannte, dass die Fermentation ein hochkomplexer Prozess mit einer Kette von Ereignissen ist, wobei jede Phase von einem anderen Enzym katalysiert, d.h. gesteuert wird. Die Entdeckungen von Pasteur, Traube und Buchner lieferten die Grundlagen einer neuen wissenschaftlichen Disziplin, welche die klinische Forschung nachhaltig bereichert hat: die Biochemie oder «Chemie des Lebens».

 

Erst ab Beginn des 21. Jhdt. entstanden neue molekularbiologische Verfahren wie PCR - eine Methode, welche die wiederholte Reproduktion (oder Verstärkung) bestimmter Merkmale des ADN mit bekannten initialen und terminalen Nukleotidsequenzen ermöglicht. Es erfolgten grossangelegte analytische Studien des menschlichen Bakteriengenoms wie das von der Europäischen Union finanzierte MetaHit Project (https://cordis.europa.eu/project/id/201052/it), wodurch sich die moderne Mikrobiologie entwickelte und die Forschung über Mikrobiota und Milchsäurefermente ins Rollen kam: Während man bis 2000 jährlich ein paar hundert Studien verzeichnet hatte, waren es 2016 ganze 8000.

 

 Die Forschung geht weiter und die Mikrobiota ist weiterhin einer der regesten und innovativsten Forschungsbereiche. In den nächsten Jahren wird es nicht mehr nur um die Erkenntnisse gehen, wo und inwieweit die Gesundheit der Mikrobiota sich auf die menschliche Gesundheit auswirkt, sondern auch darum, wie die Mikrobiota beeinflusst werden kann, damit sie sicher, korrekt, ausgewogen, spezifisch und personalisiert bleibt.