NICHT NUR INTESTINALE MIKROBIOTA: DIE BEDEUTUNG DER KÖRPERACHSEN

Wir nehmen gewöhnlich an, dass alle Funktionen der Mikrobiota-Bakterien nur mit der Darmfunktionalität korrelieren. Das ist völlig falsch. Obwohl der Darm etwas stiefmütterlich behandelt wird, ist er so zu sagen das “zweite Gehirn”, die Eingangspforte unseres Organismus. Man braucht sich nur vor Augen zu halten, dass alle Organe, wie Herz, Gehirn, Nieren, Lungen, im Laufe der Evolution viel später als der Darm erschienen sind. Die primitivsten Tierarten wie die Nematoden sind nichts anderes als… ein einziger langer Darm! Der Darm und die mit ihm in Symbiose lebende Mikrobiota dialogieren mit den übrigen Organen, um deren Funktionalität und Gesundheit zu regulieren.

 

Es existieren somit “Verbindungsachsen” - wie sie in der wissenschaftlichen Literatur bezeichnet werden - zwischen Darm, Mikrobiota und den peripheren Organen.
Durch die richtige Ernährung der intestinalen Mikrobiota und die Erhaltung spezifischer eubiotischer Bedingungen wird somit auch der ganze Organismus systemisch und physiologisch unterstützt.

 

  • Von den verschiedenen Achsen wurden vor allem untersucht:Die Darm-Leber-Achse: Leber und Darm kommunizieren über Gallentrakt, Pfortader (Vena portae) und den systemischen Kreislauf. Nur bei Eubiose schützt die Mikrobiota die Leber durch verminderte Passage von Xenobiotika in den Blutkreislauf und folglich eine verminderte Überlastung der Leber sowie durch die Bildung von Enzymen, welche die Verdauung von Fetten, Alkohol und Toxinen fördern. Wie bei der Leber begünstigen die im Darm gedeihenden Bakterien auch die Regulierung der Darm-Nieren-Achse.
  • Die Darm-Lungen-Achse: Die Lungen sind keine sterilen Organe, sondern der Sitz eines reichen Mikrobiota-Schatzes. Eine gesunde intestinale Mikrobiota bildet Moleküle wie Peptidoglycane und SCFA, die über den Blutkreislauf die Zusammensetzung der Lungen-Mikrobiota und die Immunreaktion der Atemwege regulieren.
  • Die Darm-Herz-Achse: Herz und Darm werden ebenfalls stark von eubiotischen Bedingungen der Mikrobiota beeinflusst. Eine reiche intestinale Mikrobiota begünstigt die Bildung von TMAO (Trimethylamin-N-oxid), einem Metaboliten, der möglicherweise mit einem nichtoptimalen Funktionieren des Herzkreislaufsystems sowie der Ansammlung von Triglyceriden in der Leber korreliert.
  • Die Darm-Urogenitalapparat-Achse: Auch der Urogenitalapparat ist mit mehr oder weniger nützlichen Bakterienarten bevölkert. Die besonders an Laktobazillen reiche Vaginal-Mikrobiota produziert Milchsäure und beschränkt die übermässige Vermehrung von Bakterien sowie die Passage von Bakterienfragmenten aus dem Darm in den Urogenitaltrakt, die den Gesundheitszustand des letzteren beeinträchtigen könnten.
  • Die Darm-Gehirn-Achse: Mit dieser hat sich die Wissenschaft wohl am meisten befasst. Die Autobahn zwischen den beiden “Gehirnen” ist der Vagusnerv. Vor allem durch das vegetative Nervensystem reguliert das Gehirn die Darmmotilität sowie die viszeralen Reaktionen auf Schmerz, Angst, Anxietät und Besorgnis. Aber es ist nicht nur das Gehirn, das den Darmbeeinflusst, sondern auch die intestinale Mikrobiota, die ein gutes Funktionieren des Gehirns und dessen zeitliche Entwicklung beeinflussen kann. Die Bakterien der Mikrobiota können z. B. Neurotransmitter, wie Serotonin, Polyamine, Dopamin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA), bilden. Heute versucht eine stark zunehmende Literatur abzuklären, wie Mikrobiota und Gehirn miteinander “reden” und sich gegenseitig beeinflussen. Unter allen Forschungszentren, die sich seit jeher an dieser Front einsetzen, ist ganz besonders das ”APC Microbiome Institute” in Cork in Irland zu erwähnen, das weltweit für seine Forschung über die Wechselbeziehung zwischen Darm und Gehirn bekannt ist.

 

Erste technologische Generation: "nackte" Milchsäurebakterien.

 

Sie ist die primitivste. Die Bakterien werden durch Zentrifugieren oder Ultrafiltration vom Kulturmedium getrennt und kommen nach vorheriger Gefriertrocknung unter Vakuum (Lyophilisation) in einen Nährstoffträger (gewöhnlich Maltodextrin). Dies ist für die Bakterien ein sehr heikler Zustand, bei dem die Umgebungsfeuchtigkeit in dem engen Bereich zwischen 2% und 5% liegen muss. Bei mehr als 5% Feuchtigkeit erwachen sie und sterben, weil sie keine Nahrung finden; bei weniger als 2% Feuchtigkeit trocknen sie vollständig aus, werden lethargisch und sterben. Milchsäurebakterien fürchten nämlich die Feuchtigkeit. Folglich dürfen sie nicht in offenen Behältern oder zusammen mit Substanzen aufbewahrt werden, deren Feuchtigkeit über 5% liegt. Ausserdem fürchten sie Sonnenwärme und Sonnenlicht, da die Wärme sie austrocknet und die Feuchtigkeit unter 2% sinkt. Schliesslich fürchten sie auch mechanische Beanspruchung und können daher durch den von einem Tablettenkompressor ausgeübten Druck abgetötet werden. Eine Gelatinekapsel oder ein hermetischer Beutel mit einer Einmaldosis eignen sich am besten für die Aufbewahrung. In Tablettenform wird dagegen eine grosse Anzahl der Bakterien abgetötet – bis zu rund 60%.

 

 

Zweite technologische Generation: Probiotika DDS (Drug Delivery System)

 

Dabei wird der Inhalt der Gelatinekapsel (die Bakterien) durch eine säureresistente Beschichtung der Kapsel (basierend auf Zellulosederivaten oder Methacrylsäure-Copolymeren) vor der schädlichen Einwirkung der Magensäure geschützt: man spricht hier von "Gastroresistenz" oder "Enteroprotektion". Unter alkalinen Bedingungen, wie im Dünndarm, wird die Beschichtung aufgelöst, so dass der Inhalt im Darm austreten kann. Wie sein Name besagt, ist das DDS System ausschliesslich für Medikamente (Drugs) gesetzlich zugelassen, aber nicht für Nahrungsergänzungsmittel, also nicht für die hauptsächlichen Warenkategorie, unter der Milchsäurebakterien verkauft werden.
Dritte technologische Generation: mikroverkapselte Laktofermente mit Einfach- oder Doppelbeschichtung
Die Mikroverkapselung (M.I.) besteht in der Ummantelung der Milchsäurebakterien (in Pulverform) mit einer Gelatineflüssigkeit, so dass nach deren Erstarren die einzelnen Körner oder Granulen mit einer gastroresistenten Schicht überzogen sind. Diese Methode ist zweifellos ein

 

Fortschritt im Vergleich zu den nackten Probiotika, bietet praktisch dieselbe Wirksamkeit wie das DDS-System und ist aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen auch auf Nahrungsergänzungsmittel anwendbar
Das System verleiht Widerstandsfähigkeit gegen Säure, Temperatur, mechanischen Druck und Feuchtigkeit. Der einzige Nachteil besteht darin, dass die Dicke des Überzugs nicht für alle Mikrokügelchen gleich ist und dass die Zahl der in einem Mikrokügelchen eingeschlossenen Bakterien zwischen einigen wenigen und mehreren hunderten variieren kann. Dies ist somit bei Analysen der Anzahl der koloniebildenden Einheiten (KBE) zu berücksichtigen, das heisst bei der Überprüfung des Titers des Rohstoffes (Pulver). Gewöhnlich werden die Mikrokügelchen in normale Gelatinekapseln gefüllt, können aber auch als Tabletten dargereicht werden, da sie resistent gegen mechanischen Druck sind.

 

Vierte technologische Generation: "Superstämme" – "nackte" Fermente aber mit hoher Leistung ("High Performance")

 

Durch traditionelle genetische Selektion (keine gentechnische sondern natürliche, wie sie in den letzten Jahrhunderten bei Pflanzen und Tieren vorgenommen wurde) gelang es in den letzten Jahren auf industrieller Ebene probiotische Stämme zu selektionieren und reproduzieren, die besonders aktiv und resistent im Hinblick auf Wiederbelebbarkeit und Konservierung (Shelf-Life) sind. Sie vereinen ausserdem Resistenz gegen mechanische Beanspruchung und Magensäure mit effizienter probiotischer Wirkung und können als wahre Champions in diesem Sektor gelten.
Eine Mikroverkapselung ist für die "High Performance" nicht mehr erforderlich und die Leistungen sind überraschend gut.